Boom Overture
Das Flugzeugmodell Overture soll nach den Plänen von Boom Supersonic bereits ab 2029 Passagiere mit Überschallgeschwindigkeit in wenigen Stunden von Kontinent zu Kontinent befördern. (Foto © Boom Supersonic)
Laut einem Bericht von CNN Travel plant das in Denver beheimatete Unternehmen Boom Supersonic nicht nur, bereits in wenigen Jahren wieder kommerzielle Flugverbindungen mit Überschalljets anzubieten. Als Fernziel verfolgt die nicht gerade bescheiden auftretende Firma gar die Vision, dereinst Passagiere für nur 100 Dollar von jedem Flughafen an jedes Ziel auf der Welt in maximal vier Stunden zu befördern. Überdies sollen die Flüge kohlendioxidneutral sein, indem die Maschinen zu 100 Prozent mit sogenanntem "Nachhaltigen Luftfahrttreibstoff" (Sustainable Aviation Fuel, SAF) betrieben werden, ein synthetisches Kerosin, das aus regenerativen Rohstoffen hergestellt wird, die nicht anderweitig verwertbar sind, wie gebrauchtem Kochöl und tierischem Fett aus Schlachtabfällen.
Sofern die gegenwärtig mit dem Versuchsträger Boom XB-1 durchgeführten Tests wie geplant verlaufen, soll bereits 2023 mit dem Bau des neuen Flugzeugtyps Overture begonnen werden. Die ersten Flüge sind für 2026 geplant, mit dem Passagiertransport soll 2029 begonnen werden. Bei einer Reichweite von 8300 Kilometern sind als maximale Reisegeschwindigkeit 2300 Stundenkilometer angesetzt, was der 1,7-fachen Schallgeschwindigkeit (Mach 1,7) entspricht. Damit wäre die Overture mehr als doppelt so schnell wie die schnellsten Unterschallflugzeuge mit Strahlantrieb. Für die Zukunft ist sogar eine Geschwindigkeit von Mach 2,2 vorgesehen, was etwa 2719 Stundenkilometern und damit annähernd dem Dreifachen der Geschwindigkeit der schnellsten heutigen Passagierflugzeuge entsprechen würde. Das Flugzeug soll Platz für 65 bis 88 Passagiere bieten (bei der Concorde waren es 92 bis 100).
Nach Einschätzung von Boom-Supersonic-Mitgründer und -Geschäftsführer Blake Scholl wird es allerdings noch zwei bis drei Flugzeuggenerationen dauern, bis die Technik so weit sei, dass sich auch das Fernziel der Passagierbeförderung von überall nach überall in vier Stunden für 100 Dollar umsetzen lasse. Seiner Auffassung nach sollte man aber nicht immer nur "einen oder zwei Schritte in die Zukunft" denken, sondern größere Zeiträume von "ein oder zwei Dekaden" ins Blickfeld nehmen. Professor Sean O’Keefe, ein Luftfahrtindustrieexperte an der Syracuse University, bezeichnet diesen Plan als "kühnes Ziel". Das größte Hindernis bei seiner Umsetzung sieht er in der enormen Hitze, die bei einer solchen Geschwindigkeit entstehe und "jedes konventionelle Triebwerk zum Schmelzen" bringen würde. Daher müssten dafür zunächst neue Materialien entwickelt werden. Im Laufe von zwei oder drei Technologiegenerationen, was einem Zeitraum von 20 Jahren entspreche, sei es aber durchaus möglich, entsprechende technische Entwicklungen zu machen und Durchbrüche zu erreichen.
Nach Aussage von Boom Supersonic gibt es für Overture bereits Vorbestellungen im Volumen von 6 Milliarden Dollar. So wurde mit der US-Fluglinie United Airlines laut der Handelszeitung ein Vertrag über die Bestellung von 15 Flugzeugen für insgesamt 3 Milliarden Dollar inklusive der Option auf den Kauf weiterer 35 Maschinen unterzeichnet. Wie United in einer Presseerklärung ausführt, gilt dabei der Vorbehalt, das die Overture den Anforderungen der Fluggesellschaft im Hinblick auf "Sicherheit, Betrieb und Nachhaltigkeit" entspricht.
Bei seinen optimistischen Plänen sieht Boom Supersonic nicht zuletzt auch darin große Chancen, dass sich die Luftfahrtindustrie nach ihrer coronabedingten große Krise neu aufstellen muss. Gemäß einem Report des UBS-Analysten Myles Walton könnte der Markt für Überschallflugzeuge bei einem Volumen von 160 Milliarden Dollar liegen. Allerdings sind noch Milliardeninvestitionen nötig, ehe – wenn alles wie geplant funktioniert – das erste neue Überschallflugzeug den Passagierbetrieb aufnehmen kann. Dass einem dabei auch leicht die finanzielle Puste ausgehen kann, zeigt das Beispiels des laut CNN Travel bis vor Kurzem größten Boom-Konkurrenten Aerion Supersonic, der am 21. Mai trotz Aufträgen in Höhe von 11 Milliarden Dollar völlig überraschend seinen Geschäftsbetrieb einstellte. Nach Angaben von Florida Today hatte das aus Nevada stammende Unternehmen vorgehabt, am Orlando Melbourne International Airport seinen 120 Millionen Dollar teuren Überschalljet AS2 zu produzieren, der Ende 2024 oder Anfang 2025 bereit zum Abheben hätte sein sollen.