Ähnlich den Füchsen fühlen sich auch Kojoten mittlerweile in Städten pudelwohl. (Foto: © Michael Heimlich)
Schon vor Tausenden von Jahren, als auf dem amerikanischen Kontinent noch Mammuts und Säbelzahntiger hausten, durchstreiften die Vorfahren der heutigen Kojoten – ein Ausdruck, der sich vom Wort "cóyotl" ("Mischling") aus der Azteken-Sprache Nahuatl ableitet – das westliche Nordamerika. Obwohl sich die eng mit den Wölfen verwandten Tiere, die auch als Prärie- oder Steppenwölfe bezeichnet werden, als Fleischfresser mit einem breiten Beutespektrum im Prinzip auf verschiedenste Lebensräume einstellen können, bevorzugen sie offene Landschaften gegenüber Wäldern. Wie die Tampa Bay Times schreiben, ist der Grund dafür Biologen bis heute ein Rätsel. Laut Roland Kays, Forscher an der North Carolina State University und dem North Carolina Museum of Natural Sciences in Raleigh, könnte es daran liegen, dass Futter- und Revierkonkurrenten wie der Wolf sie im Wald leichter überwältigen und vertreiben oder töten können. Als die europäischen Siedler den amerikanischen Westen eroberten, holzten sie viele Wälder zur Errichtung von Farmen ab und machten, um ihr Vieh und sich selbst zu schützen, Jagd auf Wölfe und Pumas, deren Bestände in der Folge stark dezimiert wurden. Gemäß einer neuen Studie, die kürzlich im Wissenschaftsmagazin "ZooKeys" veröffentlicht wurde, hatten diese Raubtiere ursprünglich ihrerseits die Population der Kojoten in Schach gehalten, die nun, ihrer größeren Konkurrenten beraubt, stetig weiter nach Osten vordrangen. Heute sind sie nicht nur in den gesamten USA sowie einigen kanadischen Provinzen anzutreffen, sondern dringen von Mexiko aus auch immer weiter nach Zentralamerika vor.
Auch in sämtlichen Countys des Sunshine State sind Kojoten verbreitet und etwa in der Tampa-Bay-Region recht häufig, sogar im dichtbesiedelten Pinellas County, das auf seiner Website auf einer Online-Landkarte die Orte angibt, an denen in der Vergangenheit Kojoten gesichtet wurden. Bereits in den 1920er-Jahren wurden sie vermutlich vom Menschen als Trainingsobjekte für Jagdhunde in Florida eingeführt. Im Gegensatz zu Wölfen, Pumas oder Bären, die in den verschiedenen Bundesstaaten durch die intensive Bejagung teilweise nahezu ausgerottet wurden, sind Kojoten aufgrund ihrer großen Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Lebensräume und Lebensumstände in der Lage, sich der Verfolgung durch den Menschen auf verschiedene Weise zu entziehen. Neben dem Umstand, dass sie bei der Wahl ihrer Nahrung nicht allzu wählerisch sind und neben kleineren Säugetieren und Insekten auch von Menschen weggeworfene Lebensmittel nicht verschmäßen, vermögen sie, wenn ihre Population durch Bejagung unter Druck gerät, ihre Geburtenrate zu erhöhen und sich effektiv vor Menschen zu verstecken. Ein anderer Ausweg besteht für die Kojoten darin, vom Land in die Städte auszuweichen, wo sie einerseits im Zivilisationsmüll reichlich Nahrung finden und andererseits keine Jäger und Fallen fürchten müssen.
Nach Aussage von Roland Kays ist der Ansatz daher zum Scheitern verurteilt, durch Bejagung die Zahl der Kojoten einzudämmen und sie an einer weiteren Ausbreitung zu hindern. Allein Wolfsrudel seien dazu in der Lage, Kojotenbestände nachhaltig zu reduzieren. Anstatt zu versuchen, die Kojoten aus bewohnten Gegenden zu vertreiben, sei es daher besser, die Öffentlichkeit darum zu bitten, möglichst wenig Lebensmittel an für Kojoten zugänglichen Orten zu entsorgen und Haustiere nicht allein im Freien herumlaufen zu lassen, erklärt Stanley Gehrt, Professor an der Ohio State University und verantwortlich für das Urban Coyote Research Project, in dessen Rahmen die Kojotenpopulation in der Gegend von Chicago untersucht wird.
Eine weitere Folge der starken Dezimierung der Wolfsrudel bestand nach einer wissenschaftlichen Theorie darin, dass die verbliebenen Wölfe sich mangels genügend Artgenossen mit Kojoten paarten, wodurch im Südosten der USA als Hybrid aus beiden Arten der Rotwolf entstand. Infolge starker Bejagung starb dieser seinerseits Anfang der 1980er-Jahre in freier Wildbahn aus, wurde aber in der Folge mittels Nachzuchten aus einem in den 70er-Jahren eigens eingerichteten Zuchtprogramm in drei Wildreservaten in North Carolina wieder angesiedelt. Seitdem in den 90er-Jahren in diese Gebiete jedoch Kojoten eingewandert sind, gilt die Kreuzung zwischen diesen und den Rotwölfen als stärkste Bedrohung für die Art. Die Frage, ob es sich beim Rotwolf überhaupt um eine eigene Art handelt, ist allerdings umstritten. Da in seinem Genom bisher nur Gene gefunden wurden, die entweder bei Wölfen oder bei Kojoten vorkommen, sprechen ihm manche Wissenschaftler die biologische Eigenständigkeit ab. Andere führen dagegen die These an, dass der Rotwolf durch seit Jahrzehnten vorkommenden regelmäßigen Genaustausch mit Wölfen und Kojoten sein eigenes Genmaterial im Laufe der Zeit verloren habe. Ein ähnliches Phänomen könnte sich nach den Worten von Roland Kays nun im Rahmen der Ausbreitung der Kojoten nach Zentralamerika ereignen, die dort auffallend kleiner seien als jene in Nordamerika. Möglicherweise würden sich die dortigen Kojoten, wenn nicht genügend Artgenossen des anderen Geschlechts vorhanden seien, mit verwilderten Haushunden paaren. Bisher habe zwar noch niemand einen entsprechenden genetischen Test vorgenommen, aber sie sähen durchaus "hundeartig" aus.