Fleißige Hände: So wie hier wurden um 1910 in 200 Fabriken von Tampa die begehrten, weil zollfreien »Clear Havanas« produziert.(Foto: © Florida Sun Magazine 02/2009)
Zahlreiche Produzenten emigrierten deshalb auch in die Vereinigten Staaten, zunächst vor allem nach Key West. Die Bedingungen für die aus Kuba mitgebrachten Facharbeiter, die sogenannten Torcedores, waren dort nahezu perfekt: Kubanischer Tabak war problemlos erhältlich, das Klima subtropisch. Im Gegensatz zu Manufakturen im Norden der USA waren die Hersteller in den Keys nicht auf aufwändige Humidor- und Lageranlagen angewiesen.
Die Zigarren, die vollständig aus kubanischem Tabak hergestellt wurden, nannten sich »Clear Havanas«. Sie standen im Ruf, den Originalen von der benachbarten Insel in nichts nachzustehen. Der größte Unterschied war der Preis: Clear Havanas kosteten, dank Wegfall des Einfuhrzolls, rund ein Drittel weniger als auf Kuba gerollte Glimmstengel. Als der Kubaner Vincente Martínez Ybor 1885 seine Zigarrenfabrik von Key West nach Tampa verlagerte, zog er Scharen kubanischer Arbeiter mit sich.
Die spanischsprachige Gemeinde Ybor City wuchs schnell zum Zentrum der amerikanischen Zigarrenindustrie mit bis zu 40.000 Arbeitern in 200 Fabriken. Spitzenkräfte, die 150 Zigarren pro Tag per Hand rollten, zählten damals zur gut verdienenden Mittelklasse. Ab 1920 versank der Stern von Ybor City dann aber langsam wieder, die einstige Zigarrenhochburg verkam zur unansehnlichen Industriebrache. Doch in den vergangenen Jahren hat das Viertel seine historische Atmosphäre zurückgewonnen. Fassaden und Balkone mit schmiedeeisernen Gittern glitzern wieder schön herausgeputzt, in den Straßencafés bekommt man »Café con leche«, den typischen Milchkaffee, und kubanisches Brot. Und natürlich vor Ort handgefertigte Zigarren – die auch heute noch (fast) so gut sind wie die von Castros Zuckerinsel ...