Kurz nach ein Uhr früh am Strand von Vero Beach. Die warme Sommernacht ist vom Mond erhellt. Aus den sanft ans Ufer plätschernden Wellen zeichnet sich plötzlich eine dunkle, unförmige Gestalt ab. Sie schleppt sich langsam den Strand hinauf bis zum Dünensaum und beginnt zu graben.
Es ist eine Unechte Karettschildkröte (Englisch: Loggerhead Turtle), die zur Eiablage an den Strand gekrochen ist. Dazu muss das Weibchen ihr vertrautes Element verlassen – das Meer, in dem sie ihr gesamtes Leben verbringt. An Land wirkt sie unbeholfen, irgendwie fehl am Platz. Mühsam schüttet sie mit ihren Flossen das tiefe Loch wieder zu, nachdem sie etwa 100 golfballgroße Eier gelegt hat. Die Wärme der Sonne wird das Ausbrüten übernehmen, 60 Tage lang.
Die Jungen werden nach dem Schlüpfen auf sich allein gestellt sein. Langsam kriecht die Schildkröte in Richtung Meer zurück. Als der massive Körper vom Wasser umspült wird, kann man förmlich ein Aufatmen verspüren. Und dann ist sie mit der nächsten Welle wieder verschwunden. War es nur ein Traum?
Jeden Sommer wundern sich Besucher an Floridas Stränden über die mit gelbem Band abgegrenzten Nester der Meeresschildkröten. Alle sechs Arten, die in Florida vorkommen, sind vom Aussterben bedroht oder gefährdet. Somit steht jedes Nest unter Schutz – auch wenn erfreulicherweise die Zahlen an Floridas Stränden wieder steigen. Über 60.000 Nester wurden vergangene Saison gezählt. Man findet sie entlang der gesamten Küste, jedoch ist ihre größte Konzentration im Südosten des Sonnenstaates.
Eine der größten Gefahren für die Meeresschildkröten ist die zunehmende Bebauung der Küste: Wo Mauern und Uferbefestigungen emporragen, können sie keine Nester mehr anlegen. Was zur Folge hat, dass die Schildkröten oft unverrichteter Dinge wieder ins Meer zurückkehren. Das kostet sie wertvolle Energie – und vielleicht sogar eine missglückte Brutsaison.
Die kleinen Schildkrötenbabys haben es ebenfalls nicht leicht: Kaum geschlüpft, lauern zahlreiche Gefahren auf sie – von räuberischen Strandbewohnern wie Vögeln, Krabben und Waschbären bis hin zu Fressfeinden im Wasser. Kein Wunder, dass nur etwa eines von 1000 Jungtieren die Geschlechtsreife erreicht.
Da die Jungen sich nach dem Schlüpfen an der Helligkeit der Meeresoberfläche orientieren, um das rettende Wasser zu erreichen, sind Lichterquellen an Land für sie äußerst verwirrend. Daher wird in vielen Strandkommunen während der Sommerzeit mit dem Aufruf »Lichter aus!« dafür geworben, die Außenbeleuchtung möglichst gering zu halten und die Fenster zu verdunkeln.
Viele Strände, an denen die Meeresschildkröten bevorzugt Nester anlegen, stehen mittlerweile unter Naturschutz. Immerhin befinden sich 90 Prozent aller Loggerhead-Nester der USA in Florida. Neuerdings versucht man, mehr über das restliche Leben dieser Meeresbewohner zu erforschen: Per Satellitentechnik und Sender verfolgen Wissenschaftler die Migrationsrouten einzelner Tiere.
Man kann nur hoffen, dass mit zunehmendem Verständnis und Wissen diese wundersamen Meeresnomaden auch weiterhin eine Zukunft haben. Und damit so mancher Florida-Gast ein unvergleichliches nächtliches Erlebnis.
Weitere Informationen:
Spuren im Sand
Während der Sommermonate veranstalten viele Parks »Sea Turtle Watches«, bei denen man nachts der Eiablage von Loggerhead-Schildkröten beiwohnen kann.
Eine Auswahl:
Canaveral National Seashore (Titusville)
www.nps.gov/cana
Merritt Island National Wildlife Refuge (Titusville)
www.fws.gov/merrittisland
Sebastian Inlet State Park (Melbourne Beach)
www.floridastateparks.org/sebastianinlet
Archie Carr National Wildlife Refuge (Vero Beach)
www.fws.gov/archiecarr
John D. MacArthur Beach State Park (North Palm Beach)
www.macarthurbeach.org
Gumbo Limbo Nature Center (Boca Raton)
www.gumbolimbo.org
John U. Lloyd Beach State Park (Dania)
www.floridastateparks.org/lloydbeach/default.cfm
Bill Baggs Cape Florida State Park (Key Biscayne)www.floridastateparks.org/capeflorida
The Conservancy of Southwest Florida (Naples)
www.conservancy.org
Turtle Time, Inc.(Fort Myers)
www.turtletime.org
The Turtle Hospital
2396 Overseas Highway, Marathon.
Telefon (305) 743-2552.
www.turtlehospital.org
Päppelt verletzte Meeresschildkröten wieder auf. Hier gibt es tägliche Führungen.