Andrea Stach
Die Autorin nach dem Hurrikan in ihrem Garten (Foto © Andrea Stach)
Nachdem sich die Medien anfangs auf die Gegend um Tampa konzentriert hatten, wurden wir trotz der vielen Vorwarnungen im Fernsehen vom Richtungswechsel des Sturms etwas überrascht. Gott sei Dank waren wir vorbereitet, hatten unser Stromaggregat gerichtet wie auch Batterien für all unsere Taschenlampen für einen eventuellen Stromausfall vorrätig, der dann auch eintrat. Wir haben hier in unserer Nachbarschaft bis zum heutigen Tag leider immer noch keinen Strom, aber die Mitarbeiter von Florida Power & Light arbeiten seit Tagen sehr hart daran. Überdies waren bereits vor dem Durchzug des Hurrikans Hilfskräfte aus 30 anderen Bundesstaaten mit ihren Powerline-Service-Fahrzeugen an sicheren Orten stationiert, um nach dem Sturm in den betroffenen Countys so schnell wie möglich das Stromnetz wieder in Betrieb zu setzen. (97 Prozent der Bevölkerung in unserem County waren ohne Strom, inzwischen sind es noch 30 Prozent.)
Wir hatten auch dafür gesorgt, dass die Tanks der Autos und Kanister mit Benzin gefüllt waren und auf jeden Fall genügend Trinkwasser im Haus war. Leider haben sehr viele Haushalte noch immer kein fließendes Wasser. Wir selbst haben zwar Wasser, aber es muss wegen der Bakterien unbedingt abgekocht werden. Dies macht das Leben etwas umständlicher, aber wir können uns sehr glücklich schätzen, dass wir überhaupt Wasser haben. Apropos Wasser – sehr viele Haushalte hatten zu viel davon: Die Häuser wurden durch die sogenannte "storm surge", den Wasseranstieg nach dem Sturm, bis zu 6 Fuß (1,82 Meter) hoch überflutet, und viele Menschen haben nicht nur ihr Haus, sondern ihre komplette Existenz verloren. Wie man den Nachrichten entnehmen kann, sind die Menschen auf Pine Island und Sanibel Island vom Festland abgeschnitten, da die Brücken überflutet wurden und sogar eingestürzt sind. Leider ist auch nicht mehr sehr viel übrig vom schönen Ort Matlacha oder unserem schönen Fort Myers Beach. Die Situation ist sehr dramatisch und traurig.
Wir haben in unserem Haus hurrikansichere Fenster und Türen und hatten uns anfangs eigentlich ganz sicher gefühlt. Der Wind wurde bereits vormittags immer stärker, und wir hatten sogar gelegentlich die Verandatür geöffnet, um Fotos und Videos zu machen. Nachmittags um 15 Uhr fiel dann der Strom aus. Draußen wurde es wilder und wilder, es regnete jedoch kaum und gewitterte auch fast gar nicht. Das Auge des Hurrikans befand sich nachmittags laut den Angaben auf unserem Handy direkt über Cape Coral, und der Sturm zog mit nur 8 Meilen (12,87 Kilometern) pro Stunde viel zu langsam davon und hielt sich eine gefühlte Ewigkeit über uns. Bedeutend mehr verängstigt als zuvor überlegten wir uns am Spätnachmittag einen Plan B, was zu tun wäre, wohin wir flüchten und wo wir Schutz finden könnten, falls uns das Dach über dem Kopf weggerissen würde. Denn die Geräusche vom Dach wurden seltsamer und lauter, und man konnte Blechteile vorbeifliegen sehen. Die Fliegengitter um unseren Pool waren alle weggerissen, und unheimlich viel Zeug war im Pool gelandet, der mittlerweile durch das Hin- und Herschwappen des Wassers übergelaufen war. Abends nach 19 Uhr kam der Sturm endlich etwas zur Ruhe, und man freute sich, dass man ihn ohne größere Schäden überstanden hatte. Unsere Wohngegend ist glücklicherweise so weit vom Meer entfernt und liegt so hoch, dass in unserer Nachbarschaft nur eine geringe Gefahr der Überflutung bestand.
Die darauffolgenden Tage waren schwer und ungewohnt: Nicht nur dass kein Strom da ist und man zum Beispiel morgens die Tasse Kaffee vermisst oder kalt duschen muss und eventuell eine Menge Nahrungsmittel aus der Tiefkühltruhe und dem Kühlschrank entsorgen muss, weil alles warm wird (zum Glück nicht in unserem Fall) – die Klimaanlagen funktionieren natürlich auch nicht, und es ist schon eine Umstellung, sich nicht nur am Tag, sondern auch in der Nacht beim Einschlafen an die floridianischen Temperaturen gewöhnen zu müssen, auch wenn sie durch den Hurrikan etwas niedriger als normalerweise sind. Ohne Strom ist es natürlich auch nicht möglich, den Fernseher einzuschalten, um Nachrichten zu sehen. Auch ein herkömmliches Radio hilft nicht weiter, und selbst das Handy kann nicht aufgeladen werden, um in Kontakt zu bleiben, wenn man nicht gerade mit dem richtigen Kabel bei laufendem Motor für ein paar Minuten im Auto sitzt. Da die Tankstellen auch nicht funktionieren, wird Benzin zu einem immer umkämpfteren Gut, sodass es sogar Kriminelle gibt, die offenbar nachts Löcher in Autotanks bohren, um Sprit abzuzapfen. Die Polizei und die Nationalgarde sind vielerorts präsent, da es viele Leute ausnutzen, dass kein Strom für Licht und Alarmanlagen vorhanden ist – die ersten Tankstellen wurden bereits überfallen und ausgeplündert.
Zugleich öffnen die ersten Einkaufsläden wieder, und die Leute können Trinkwasser und etwas zu essen kaufen. Gott sei Dank haben wir einen Gasgrill hinterm Haus und können ihn zum Kochen nutzen. In meinem Publix-Supermarkt höre ich die verschiedensten Geschichten, wie es Menschen um mich herum ergangen ist, und bin sehr dankbar, dass wir alles so gut überstanden haben!
Doch so schlimm und traurig das alles auch ist, beeindruckt es mich am meisten, dass die gegenseitige Hilfe und der Zusammenhalt von allen so supertoll funktionieren! Plötzlich ist es nicht mehr wichtig, welche politische Meinung man vertritt und wen man wählt. Auch interessiert es niemanden, ob man gegen Covid geimpft oder Maskenträger ist. Alle sitzen im selben Boot und helfen sich gegenseitig. Sehr viele Menschen spenden Geld. In den Kirchen sind Sammelstellen, an denen man benötigte Dinge wie Kleidungsstücke abgeben kann. Von Windeln bis zu Zahnbürsten und Konservendosen mit Nahrungsmitteln wird alles gebraucht. Es stehen Notunterkünfte zur Verfügung, es werden Mahlzeiten ausgegeben usw. Restaurants und Foodtrucks bieten an verschiedenen Stellen kostenlose Mahlzeiten für all die Helfer von nah und fern an, die Tag und Nacht im Einsatz sind. Es versucht einfach jeder, jedem zu helfen und etwas Gutes zu tun – und die bisher etwas gespaltene Bevölkerung wird in der Not wieder zusammengeschweißt. Die Küstenwache und die Nationalgarde sind täglich mit Booten und Hubschraubern im Einsatz, um die Menschen aus den abgeschnittenen Gegenden zu evakuieren.
Allen, die es schlimmer getroffen hat als mich, wünsche ich viel Unterstützung und eine gute Versicherung. Denn auch die hat hier nicht jeder, oder einem wurde erst kürzlich die Versicherung gekündigt und man musste sich um eine neue kümmern, was viele Menschen vielleicht versäumt haben.