Eher selten ist der Dunkle Tigerpython in den Everglades so leicht zu entdecken wie auf diesem Foto. (Foto © Heiko Kiera/Shutterstock.com)
Die Zahl der inzwischen in den Everglades und dem angrenzenden Big-Cypress-Nationalreservat lebenden Dunklen Tigerpythons soll nach Schätzungen zwischen etwa 30.000 und 300.000 Tieren liegen. Genauere Angaben dazu lassen sich nicht machen, was zum einen daran liegt, dass es nicht ganz einfach ist, die sich meist im Unterholz aufhaltenden Schlangen überhaupt zu Gesicht zu bekommen. Vor allem aber macht die schiere Größe, Unübersichtlichkeit und Unzugänglichkeit des von ihnen inzwischen bewohnten Gebiets eine systematische Suche nach den Tieren praktisch unmöglich: Allein der Everglades-Nationalpark umfasst über 6070 Quadratkilometer, im Big-Cypress-Nationalreservat kommen noch einmal 2950 Quadratkilometer hinzu. Es ist daher sehr zweifelhaft, dass Florida jemals wieder von der durch den Menschen eingeführten Art zu befreien ist, zumal die Schlangen sich weiter ausbreiten und Wissenschaftler davon ausgehen, dass sie mittlerweile auch über die Florida Bay schwimmend die Florida Keys erreicht haben. Gleichwohl setzen die Behörden zum Schutz der von ihnen besiedelten Ökosysteme alles daran, ihren Bestand zumindest so weit wie möglich einzudämmen.
Laut AP News wird der Tigerpython für den dramatischen Populationseinbruch einer Reihe von Tierarten in den Everglades verantwortlich gemacht: Gemäß einer Studie der US-Kartografiebehörde U.S. Geological Survey (USGS) von 2012 ging die Zahl der Waschbären dort seit ihrem Auftauchen um 99,3 Prozent, die Zahl der Beutelratten um 98,9 Prozent und die der Rotluchse um 87,5 Prozent zurück. Füchse, Marschkaninchen und Baumwollschwanzkaninchen waren demnach aus dem untersuchten Gebiet gänzlich verschwunden. Diese Ergebnisse demonstrieren eindrücklich, dass die Würgeschlangen einerseits viele Kleintierarten wie etwa Beutelratten und Kaninchen weitgehend ausrotten, andererseits aber auch konkurrierende Räuber wie Rotluchse verdrängen, indem sie ihre Nahrungsquellen okkupieren. Angesichts der Tatsache, dass der Python bei der Wahl seiner Nahrung nicht sehr wählerisch ist und in verschiedenen Habitaten leben kann, bestehen wenig Zweifel daran, dass auch die Bestände der hiesigen Vogel- und Schlangenarten und selbst die der Pumas und der allgegenwärtigen Alligatoren durch die in der Regel bis etwa 4 Meter lang werdenden Räuber gefährdet sind.
In Anbetracht der Schwierigkeit, die Schlangen im Gelände überhaupt zu finden, begannen Wissenschaftler in einem Gemeinschaftsprojekt der Naturschutzbehörde Südwestfloridas mit verschiedenen anderen Institutionen 2013 damit, zufällig entdeckte männliche Schlangen einzufangen und ihnen Funksender ins Muskelgewebe zu implantieren. Wieder freigelassen, fungieren die Pythonmännchen gewissermaßen als Spione, die die Forscher in der Paarungszeit zwischen Dezember und April zu den Weibchen führen und von ihnen daher auch scherzhaft als "Judas-Schlangen" bezeichnet werden. Dabei halten sich häufig bis zu fünf oder sechs männliche Pythons in unmittelbarer Nähe eines Weibchens auf und bilden mit ihm sogenannten "Brutbälle" ("breeding balls"), letztlich kommt aber nur das stärkste unter ihnen zum Zuge. Infolgedessen können die Wissenschaftler dank ihrer Methode gleich mehrere Fliegen beziehungsweise Schlangen mit einer Klappe schlagen.
So gelang es den Forschern dank der Judas-Schlangen-Methode, in den Brutsaisons 2018 und 2019 insgesamt 17 Pythons einzufangen, darunter die größte je in Florida gefangene Schlange, ein Weibchen mit einer Rekordlänge von 5,3 Metern und einem Gewicht von rund 64 Kilo, das ein Gelege von 73 Eiern bebrütete. Insgesamt entfernten die Mitarbeiter der Naturschutzbehörde und ihre Partner in den letzten sechs Jahren über 500 Pythons aus einem rund 142 Quadratkilometer großen Areal des Big-Cpyress-Nationalreservats im Collier County. Nach Aussage von Matthew McCollister, Ressourcenmanager des National Park Service, werden die eingefangenen Schlangen, sofern sie nicht als Judas-Schlangen eingesetzt werden, "auf humane Weise eingeschläfert".
Die Unzugänglichkeit des Gebiets setzt allerdings auch der Judas-Schlangen-Methode Grenzen. Auch wenn die weit über das Areal verteilten Schlangen dank ihrer Sender von Hubschraubern aus leicht geortet werden können, stellt es eine ganz andere Herausforderung dar, sie anschließend bei der Suche im Gelände auch tatsächlich zu finden. Oft sind dafür lange, anstrengende Fußmärsche durch sumpfiges Gelände nötig, bei denen die Forscher mit extremer Hitze, Moskitos und wechselndem Wetter zu kämpfen haben. Angesichts nur relativ weniger mit Geländewagen befahrbarer Straßen und Wege müssen die meisten Exkursionen zu Fuß durchgeführt werden, doch manche Orte stellen sich letztlich als zu abgelegen heraus, um sie auf diese Weise zu erreichen. Andererseits ist es angesichts der hohen Kosten auch nicht möglich, jede Schlange mit einem Helikopter zu verfolgen. Generell ist der finanzielle Aufwand für diese telemetrische Fangmethode sehr hoch: Allein die Sender haben einen Stückpreis von 250 Dollar. Zusammen mit den Kosten für das Personal und den Hubschraubereinsatz ergibt das pro eingesetzte Schlange leicht eine vier- oder fünfstellige Summe. So beliefen sich laut dem für die USGS arbeitenden Biologen Jillian Josimovich bei einem ähnlichen Projekt, das vor einigen Jahren im Everglades-Nationalpark durchgeführt wurde, die Kosten pro Schlange vor allem aufgrund der Helikopterflüge auf schätzungsweise 11.000 Dollar.
Um effektivere und kostengünstigere Methoden zum Auffinden der Pythons zu entwickeln, bemühen sich die Wissenschaftler darum, möglichst viel über ihre Lebensweise, Physiologie und ihre Reproduktionsbiologie herauszufinden. Insgesamt ist über die Biologie der Würgeschlangen noch relativ wenig bekannt, angesichts der Abgelegenheit der von ihnen bewohnten Habitate kommen die Forscher laut Josimovich dabei allerdings nur "in kleinen Schritten voran". Gleichwohl gibt sich McCollister optimistisch, dass die Forschungen der staatlichen, bundesstaatlichen und privaten Institutionen an verschiedenen Methoden zur Verbesserung der Python-Suche letztlich von Erfolg gekrönt sein und es gelingen werde, die Schlangen entweder auszurotten oder ihre Population zumindest zu kontrollieren.