Python-Steckbrief, Palm Beach Gardens
Ein ökologischer Eindringling, der in Florida immer mehr auf dem Vormarsch ist, aber zumeist im Verborgenen bleibt: der Dunkle Tigerpython (Foto © Thomas Barrat/Shutterstock.com)
Wie Orlando Sentinel und New York Times berichten, bezeichnet die Studie der US-Kartografiebehörde United States Geological Survey (USGS) die Ausbreitung der Schlangen in Florida als "eines der weltweit am schwierigsten zu lösenden Probleme mit einer invasiven Art", das ein fatales Versagen im Hinblick auf den Schutz von Südfloridas Ökosystemen darstelle. Da sie in den Everglades beste klimatische Bedingungen und ein reiches Angebot an Beutetieren, zugleich aber keine natürlichen Feinde vorfanden, konnte aus ein paar freigelassenen oder ausgerissenen Dunklen Tigerpythons innerhalb von nur 20 Jahren eine große Population heranwachsen, die vom südlichen Zipfel des Everglades-Nationalparks längst praktisch ins gesamte südliche Drittel des Sunshine State vorgerückt ist.
Nach den Ergebnissen der Studie hat das Verbreitungsgebiet der Schlangen inzwischen auch das Broward und Palm Beach County erfasst und dehnt sich weiter Richtung Norden aus. Die äußerste Linie, entlang der die Reptilien beziehungsweise ihre DNA gefunden wurden, umfasst West Palm Beach, das südliche Ende des Lake Okeechobee und Gebiete nördlich von Fort Myers. Wie weit nach Norden sie noch vordringen werden, hänge von verschiedenen Faktoren ab, zu denen nicht zuletzt der Klimawandel zähle.
In der Vergangenheit limitierten zu niedrige Temperaturen ihre Ausbreitung. So führte laut einer in der Studie erwähnten Untersuchung ein Kälteeinbruch in Nordflorida zum Tod der dortigen Schlagen. Auf der anderen Seite hatte ein starker Temperaturrückgang 2010 zwar zur Folge, dass die Python-Populationen einbrachen. Anschließend erholten sie sich aber wieder, was bewirkt haben dürfte, dass viele der sich heute vermehrenden Schlangen weniger empfindlich gegenüber niedrigen Temperaturen sind. Dementsprechend kommt eine in der Studie zitierte Untersuchung zu dem Schluss, dass die Pythons sich letztlich in ganz Florida ausbreiten werden; laut einer anderen, in der Klima und Niederschlagsmenge in den USA mit denen in ihrer asiatischen Heimat verglichen werden, könnte ein Großteil des südlichen Drittels der USA zu ihrem Verbreitungsgebiet werden.
Noch schwerer zu beantworten ist die Frage, wie viele wilde Dunkle Tigerpythons es heute in Florida gibt: Da die Art so im Verborgenen lebe und nach wie vor so wenig über sie bekannt sei, könne man nur mutmaßen, dass es "vielleicht Zehntausende von Pythons in ihrem bekannten Verbreitungsgebiet im südlichen Florida" gebe. Der von ihnen verursachte ökologische Schaden lässt sich demgegenüber weitaus präziser in Zahlen fassen: In den Mägen untersuchter, zuvor eingeschläferter Schlagen fanden Wissenschaftler nicht weniger als 76 unterschiedliche Tierarten. Darunter waren viele Vögel wie beispielsweise Geier, Krähen, Enten, Reiher, Rosalöffler oder auch Exemplare des bedrohten Waldstorchs. Zu den von den Schlangen verspeisten kleineren Säugern zählten etwa Exemplare der nur auf Key Largo heimischen, als kritisch gefährdet eingestuften Unterart der Östlichen Buschratte, Key-Largo-Baumwollmäuse, Marschkaninchen, Gürteltiere, Beutelratten, Waschbären, Otter und Hauskatzen; unter den größeren Beutetieren waren Hausziegen, Weißwedelhirsche, wilde Schweine und Alligatoren. Wie Jackie Guzy, Autorin der USGS-Studie, ausführt, wurden bis zum Jahr 2000 noch häufig Säugetiere im Everglades-Nationalpark gesichtet; zwischen 2003 und 2011 ging die Zahl der Beobachtungen von Waschbären, Beutelratten, Kaninchen und Weißwedelhirschen wie auch von Luchsen und Graufüchsen, zu deren Beutespektrum ein Großteil der von den Pythons dezimierten Tierarten zählen, um 85 bis 100 Prozent zurück.
Gemäß einer anderen in der Studie zitierten Untersuchung waren in bestimmten Gegenden, in denen Marschkaninchen und Pythons vorkamen, die Würgeschlangen über einen Zeitraum von 11 Monaten für 77 Prozent der Todesfälle unter den Kaninchen verantwortlich; in Gegenden, in denen es keine Pythons gab, wurden demgegenüber 71 Prozent der in dem Zeitraum gestorbenen Kaninchen von heimischen Prädatoren aus der Gruppe der Säugetiere erbeutet. Andere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass der Rückgang der Populationen der Marschkaninchen im südlichen Florida auf das Konto der Würgeschlangen ging.
Um der Python-Invasion endlich Herr zu werden, wurden bislang verschiedene Ansätze verfolgt. Einer davon ist die Jagd auf die Tiere, sei es durch staatlich bezahlte Profis oder durch Privatleute etwa im Rahmen der alljährlich veranstalteten 10-tägigen Python Challange, bei der denjenigen, die die meisten oder größten Würgeschlangen fangen, Geldpreise winken. Ein anderer ist der Einsatz von Funksendern, die eingefangenen männlichen Schlangen implantiert werden, sodass sie die Wissenschaftler zu paarungsbereiten Weibchen führen.
Vielversprechender als diese erfolgreiche, aber auch recht aufwendige Methode erscheint den Forschern die Idee, statt der Pythons ihre Beutetiere mit Sender zu versehen, die dann von den Schlangen aufgenommen werden: Erst kürzlich konnten auf diese Weise zwei große weibliche Pythons mit zahlreichen Eiern gefunden und unschädlich gemacht werden. Laut Orlando Sentinel besteht die Hoffnung, mit dieser Methode, sobald günstigere Sender zur Verfügung stehen, durch den Einsatz von Drohnentechnik die Python-Population deutlich zurückzudrängen – insbesondere auch deshalb, weil sie zur Entdeckung größerer Schlangen führe, bei denen es sich oft um Weibchen handle. Ein weiterer Ansatz könnte in der sogenannten "Genetic Biocontrol" liegen. 2021 gab es hierzu einen ersten Feldversuch auf den Florida Keys, bei dem als Krankheitsüberträger gefürchtete Ägyptische Tigermücken freigelassen wurden, deren Erbgut so verändert worden war, dass nur männliche Mücken das Adultstadium erreichen, sodass die Tiere sich nicht mehr fortpflanzen können. Analog dazu könnte eines Tages auch das Erbgut der in Florida lebenden Pythons so verändert werden, dass sie unfruchtbar sind, ihre Population fast nur noch aus Männchen besteht oder ihre Überlebensfähigkeit anderweitig eingeschränkt ist. Bis dahin ist es laut Jackie Guzy aber noch ein weiter Weg.