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Blick über die Dächer von Seaside.(Foto: © Florida Sun Magazine 04/2008)
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Auch in den Häusern herrscht maritimes Flair.(Foto: © Florida Sun Magazine 04/2008)
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Wie in der guten alten Zeit: Häuserzeile in Celebration.(Foto: © Florida Sun Magazine 04/2008)
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Fußgänger haben in Celebration Vorfahrt. (Foto: © Florida Sun Magazine 04/2008)
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Kommunikativ: Plausch zweier Einwohner von Celebration. (Foto: © Florida Sun Magazine 04/2008)
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Urlaubs-Architektur: Seaside war von Anfang an als Ferienort geplant. (Foto: © Florida Sun Magazine 04/2008)
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Nad Nassar kennt sich gut aus mit Immobilien: Er arbeitet seit vielen Jahren als Immobilienmakler für Engel & Völkers. (Foto: © Florida Sun Magazine 04/2008)
New Urbanism? Das war lange Zeit nur wenigen Spezialisten ein Begriff. Wer hatte schon das Buch von Prinz Charles »A Vision of Britain« gelesen, um auf ein merkwürdiges Städtchen namens Seaside zu stoßen? Wer glaubte dem Prinzen, dass ausgerechnet dieser Ort »beginnt, das architektonische Denken überall in den Vereinigten Staaten zu beeinflussen«? Und wer hatte schon den US-Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig ernst genommen, auf dem 1996 das Disney-Städtchen Celebration vorgestellt wurde?
Im Gegenteil: Die amerikanische Stadt schien wieder einmal ein neues Monster erzeugt zu haben – ein antiquiertes Gebräu von gestriger Architektur, sozialer Sterilität und Abgeschlossenheit. Der Film »Die Truman Show« mit Jim Carrey in der Hauptrolle, der in Seaside gedreht wurde, tat ein Übriges, dieses Bild in Europa zu zementieren. Und Celebration? Das schien vielen jenseits des Atlantiks eine sentimentale Erfindung des Disney-Konzerns, eine heile Kitsch-Welt fernab der urbanen amerikanischen Wirklichkeit. Doch derlei Erklärungsmuster sind zu einfach und bequem. New Urbanism erwies sich als schillerndes Kompositum aus zeitgenössischer Stadttechnik, modernem Komfort und traditionalistischem Städtebau. Hintergrund ist die Kritik am Zustand der amerikanischen Stadt, am »Suburban Sprawl«. Und diese wird inzwischen von einer immer breiteren Öffentlichkeit geteilt.
New Urbanism fordert Fußgängerfreundlichkeit, die Förderung des öffentlichen der Umwelt maximal vernetzt ist. Ein an den Prinzipien der historischen Stadt orientierter Städtebau, so die Grundannahme, fördert den Zusammenhalt, stimuliert die Nachbarschaft und erweckt die »Community« zu neuem Leben. Der Beginn der Projektentwicklung von Seaside im Jahre 1980 markiert die Geburtsstunde des New Urbanism. Als Ferienort am Meer in Auftrag gegeben und am Vorbild viktorianischer Badeorte orientiert, gilt der Ort als das bis heute erfolgreichste Beispiel einer neotraditionalistischen Stadtplanung.
Errichtet wurde Seaside nach Entwürfen des amerikanischen Architektenduos Andreas Duany und Elisabeth Plater-Zyberk; der Luxemburger Architekt und Theoretiker Léon Krier stand als Berater bei. Die Planer verfolgten den Anspruch, den Bewohnern ein Stück Lebensqualität zurückzugeben, das in den gewöhnlichen amerikanischen Mittelklassevororten verloren gegangen war. Statt Einkaufszentren mit bis zum Horizont reichenden Parkplätzen gibt es in Seaside einen Dorfplatz mit Cafés und Lebensmittelgeschäften, statt kilometerlangen Zufahrtsstraßen entlang überdimensionierter Rasenflächen kleine Straßen und vergleichsweise kompakte Einfamilienhäuser.
Ähnliches gilt für den Ort Celebration in der Nähe von Orlando, erbaut ab 1997 für etwa 20.000 Einwohner. Auch hier setzten die Architekten auf Kleinteiligkeit und traditionelles Fassadendesign. Fast alle Neubürger schätzen das sehr persönliche Kleinstadt-Flair, das viele an ihre Kindheit erinnert. »Alles, was ich tun muss, ist auf meine Veranda zu gehen, und ich habe Gesellschaft«, sagt eine Bewohnerin. Beim täglichen Gang durch die Siedlung ergeben sich derart viele Gesprächsmöglichkeiten, dass ein Bewohner aus Celebration »klagt«, er würde zwei Stunden brauchen, um von der Arbeit nach Hause zu radeln, da er dauernd auf bekannte Gesichter treffe. Doch auch er schwört wie die anderen, dass er es keinen Moment bereue, hierher gezogen zu sein.
INTERVIEW
Florida Sun: Herr Nassar, so wie das benachbarte Walt Disney World repräsentiert die Kleinstadt Celebration die amerikanische Idealwelt: proper, clean und ohne soziale Probleme. Verstehen Sie, wenn mancher Europäer angesichts dieser künstlichen Idylle skeptisch ist?
Nad Nassar: Ehrlich gesagt nein. Denn meistens kritisieren dieselben Leute ja auch die seelenlosen amerikanischen Städte, die sich vornehmlich am Auto orientieren und nicht an den Bedürfnissen der Menschen. Der New Urbanism versucht ja gerade, den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Stadtplanung zu stellen – eigentlich eine durchaus noble Zielsetzung.
Florida Sun: Schon richtig, aber das Unbehagen richtet sich vor allem gegen die als extrem empfundene Bevormundung und Reglementierung in solchen Gemeinden, was schon bei der Gestaltung des Hauses anfängt.
Nad Nassar: Auch das wird immer überzogen dargestellt. Selbstverständlich stand es auch den Bauherren in Celebration frei, eigene Architekten mitzubringen. Die mussten sich freilich an ein Vorschriftenwerk halten, das sicherstellt, dass der Neubau weder aufgrund seiner Größe noch hinsichtlich Gestalt, Material oder Farbe aus dem Rahmen fällt. Ich kann daran aber beim besten Willen keine diktatorische Bevormundung erkennen.
Florida Sun: Und die strengen Vorschriften, wie oft etwa der Rasen gemäht und der Müll rausgebracht werden müssen?
Nad Nassar: Die Pioniere des New Urbanism wollten Orte für erfülltes menschliches Zusammenleben in einer vielfältigen Umwelt schaffen. Dazu gehört aber eben auch, dass man sich an bestimmte Spielregeln hält – was im Übrigen anderswo ja nicht anders ist.
Florida Sun: Inwieweit ist der Disney-Konzern noch in Celebration involviert?
Nad Nassar: Im Prinzip gar nicht mehr. Die Verwaltung der Stadt ist inzwischen an eine Eigentümergemeinschaft übergegangen, die kommerziellen Objekte werden heute von einer unabhängigen Gesellschaft gemanagt. Die Eigentümer haben sich 2005 aber verpflichtet, die Statuten von Disney noch fünf weitere Jahre zu erfüllen. Es erwartet freilich niemand, dass sich nach deren Ablauf irgendetwas Dramatisches ändert – dafür funktioniert das Gemeinwesen einfach zu gut.
Florida Sun: Was meinen Sie konkret mit »gut funktionieren«?
Nad Nassar: Nun – diejenigen, die in Celebration wohnen, werden Ihnen bestätigen, dass das Design des Ortes tatsächlich Gemeinschaft fördert. Das Leben ist hier sehr angenehm, Kriminalität fast unbekannt, man fühlt sich irgendwie behütet. Sie fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit, kennen viele Leute und fühlen sich stärker für Ihre Gemeinde verantwortlich als anderswo.
Florida Sun: Sie haben als Immobilienmakler in Celebration einen guten Überblick über die wirtschaftliche Seite des Experiments »New Urbanism«. Inwieweit sind die Hauspreise hier von der derzeitigen Krise betroffen?
Nad Nassar: Natürlich ist die Entwicklung bei uns nicht immun gegenüber der Situation auf dem Gesamtmarkt. Aber es ist schon festzustellen, dass angesichts des begrenzten Inventars die Preise stabiler geblieben sind als anderswo in Florida.
Florida Sun: Wo liegt das Preisniveau im Vergleich zu anderen Regionen im Sunshine State?
Nad Nassar: Im Schnitt müssen Sie in Celebration mit rund 30 Prozent höheren Immobilienpreisen rechnen als für vergleichbare Objekte in anderen Gemeinden.
Florida Sun: Ein heftiger Aufschlag!
Nad Nassar: Ja, aber weil das Wohnen und Leben hier so beliebt ist, dürfen Sie auch mit einem entsprechend höheren Wiederverkaufswert Ihrer Immobilie rechnen. Es ist für viele Menschen halt ein sehr erstrebenswertes Ziel, in Celebration zu leben.
Florida Sun: Herr Nassar, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Nad Nassar ist Immobilienmakler und Managing Director bei Engel & Völkers Orlando-Celebration. Nassar war 20 Jahre lang im Immobiliensektor in Deutschland tätig, ehe er im vergangenen Jahr nach Florida kam. Er ist unter der Telefonnummer:(407) 566-2187 oder per E-Mail Nad.Nassar@engelvoelkers.com zu erreichen.