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Cayo Costa (Foto: © Florida Sun Magazine 2/07)
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Cedar Point (Foto: © Florida Sun Magazine 2/07)
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Dead Lake #1 (Foto: © Florida Sun Magazine 2/07)
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Gaskin #5 (Foto: © Florida Sun Magazine 2/07)
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Loxhatchee River #30 (Foto: © Florida Sun Magazine 2/07)
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Tamiami Trail #2 (Foto: © Florida Sun Magazine 2/07)
Ein urwüchsiger Typ, der einem da am Tor zu seinem Haus mitten in den Everglades entgegenkommt. Breitkrempiger Hut, Rauschebart, die Füße stecken in ausgelatschten Gummischuhen. Auch rein figürlich erinnert Clyde Butcher eher an einen Preisboxer als an den gefeiertsten Naturfotografen Floridas. Wenn, ja wenn da nicht diese hellwachen Augen wären, die den Eindringling – pardon, Besucher – so aufmerksam mustern. Und verschmitzt blinzeln, als sie dessen anfängliches Erstaunen über seine raue Schale bemerken. Doch dann fängt er an zu reden, der Dokumentar, Bewahrer, Apostel der Everglades. Mit überraschend melodischer Stimme übrigens. Zeigt auf einen schlanken Graureiher, der staksig auf einem Bein im Morast steht. Erklärt den Jahreszeitenzyklus der Elliotskiefer, die einzige in Südflorida beheimatete Kiefernart. »Unterhalb der Bäume wachsen farnartige Pflanzen«, sagt er und streicht sich über den weißen Bart mit einer Handbewegung, die wir in den nächsten zwei Stunden häufiger sehen werden.Geste der Konzentration, aber auch Zeichen der Nachdenklichkeit.
Die einfach wirkende Baumgemeinschaft, so lernen wir, ist überraschend vielfältig und besteht aus über 200 Unterholzgewächsen, von denen 30 Arten sonst nirgendwo auf der Erde vorkommen. Wir marschieren weiter über einen kurzen Pfad in Richtung Haus – und sind schon gefangen vom Zauber dieser einmaligen Landschaft, diesem endlosen Sumpfgebiet mit Sägegras und den inselartigen Erhebungen, bewachsen mit tropischen Hölzern. Fast noch mehr aber fasziniert uns dieser struppige Bär, der mit seinem sanften Timbre und seinen Fotografien noch jedem die Augen für die Schönheit dieser einmaligen Kulisse geöffnet hat. Seit über zehn Jahren leben er und seine Frau Niki mitten im »Big Cypress National Preserve«. An jedem Labor-Day-Wochenende veranstaltet er Sumpfwanderungen durch sein dreizehn Morgen großes Anliegen. Tausende sind die Tour schon mitmarschiert, unter anderem der frühere Gouverneur von Florida, Lawton Chiles, und der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter. Clyde Butchers großformatige Kunst hat derweil längst Einzug gehalten in viele Galerien und Museen auf der ganzen Welt.
Für Butcher, der anfänglich als Architekt gearbeitet hat und sich erst 1974 der Fotografie zuwandte, ist die Schwarzweiß-Fotografie mehr als ein rein künstlerisches Medium. Sich der amerikanischen Bildtraditionen besinnend, verfolgt er mehr und mehr auch ein die Natur bewahrendes Anliegen, das gesellschaftspolitisches Engagement einschließt. Mit seinen riesigen Kameras dringt er tief in die Naturreservate ein, sucht – teils im Sumpf stehend – das ideale Licht, den optimalen Ausschnitt und die heroische Kraft einer bis heute ungebändigten Fauna und Flora. Seine Fotos sind Hymnen an die unberührte, von Menschen unfassbare Natur – und gleichzeitig auch Mahnmale ihrer Vergänglichkeit.
Eine Stunde ist vergangen, wir sitzen mit dem Meister am Computer. Während Butcher in seinem Studio in Venice an Floridas Westküste ein eigenes Fotolabor betreibt, gibt er seinen Werken hier mithilfe der digitalen Technik den letzten Schliff. »Das hat nichts mit Manipulation zu tun – ich verändere die Motive nicht, sondern verfeinere sie gewissermaßen in einem letzten kreativen Akt.« Tausende Negative bewahrt er hier im Safe gleich nebenan auf, sein gesamtes künstlerisches Œuvre. Auch die Ergebnisse seiner Reisen nach Kuba in den Jahren 2002 und 2003 sind hier verschlossen. Damals suchte er einige der abgeschiedensten und gebirgigsten Gegenden der Insel auf. Eindrucksvolle Fotos der Sierra Maestra in Kubas östlicher Provinz Granma, der Südküste zwischen Manzanillo und Santiago de Cuba sowie den Wasserfällen in der Sierra de San Juan waren das Ergebnis. »Ich hoffe, diese Fotos werden der Welt die bisher unbekannte Schönheit offenbaren, die nur knapp 90 Meilen südlich von Florida zu finden ist«, sagt der Künstler. Clyde Butcher lässt sich auf die Landschaft ein, sucht ihre Rauheit, ihr widerspenstiges Wesen und ihre Unbegehbarkeit. Fernab der Zivilisation dringt er ein in die entlegensten Winkel. Er selbst ist dabei kein Fremdkörper, seine Kamera wird Teil eines Anschauungsprozesses, der vor allem die Monumentalität und urwüchsige, ungebrochene Kraft der umgebenden Natur widerspiegelt.
Wir stehen wieder vor Butchers rustikalem Haus in den Everglades. Herzliche Verabschiedung. Am Ende erzählt er uns eine kleine Anekdote. Vor einiger Zeit wollte seine Frau Niki mit ihrem alten VW Käfer einmal in die Stadt fahren, um Besorgungen zu erledigen. Als sie gerade losrollte, fiel ihr ein, dass sie noch etwas im Haus liegen gelassen hatte. Sie stieg aus – und vergaß, die Autotür zu schließen. Als sie zurückkam, sah sie voller Schrecken einen Schwarzbären, der sich mit ihrer Handtasche im Maul aus dem Staub machte. »Meine Frau verwahrt immer gern einen Müsliriegel in der Tasche – und der Bär muss das wohl gerochen haben«, lacht Clyde Butcher – und schmunzelt übers ganze Gesicht. »Alles war weg: Führerschein, Fahrzeugpapiere, Kreditkarten – alles!« Er blickt in den dichten Kiefernwald und hält einen Moment inne. »Aber wissen Sie«, sagt er dann schelmisch, »das Vergnügen, zu den jeweiligen Amtsstellen zu gehen und sagen zu können, dass ein Bär unsere sämtlichen Papiere geklaut hat, war die Sache doch allemal wert!«
»Ökologisch oder gar nicht«
Florida Sun: Mr. Butcher, Ihre Landschaftsfotografien sind meist menschenleer. Dennoch gelten Sie als durchaus politischer Künstler. Wie passt das zusammen?
Clyde Butcher: Nun, es ist wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass wir auf einem kleinen Raumschiff mit begrenzten Ressourcen leben. Unser Planet wird gern als die gütige Mutter Erde dargestellt, die ihr Füllhorn über uns alle ausschüttet. Dieses Bild entspricht aber nicht den Tatsachen. Auf der Erde geht es keineswegs zu wie im Schlaraffenland, sind doch den natürlichen Ressourcen durch ihre jeweilige Regenerationsfähigkeit Grenzen gesetzt.
Florida Sun: Ihre Fotografien strotzen nur so vor Leben. Ist die Botschaft gleichwohl, dass all dies bald verloren sein könnte?
Clyde Butcher: Ja, durchaus. Ich bin seit über 30 Jahren hier draußen in Floridas Natur unterwegs und spüre buchstäblich am eigenen Leibe, wie die Eingriffe der Menschen das fragile Gleichgewicht dieser Landschaften ins Wanken bringen. Die Menschheit kann es sich aber nicht länger leisten, ihre Ressourcen weiter zu vergeuden und den Planeten zu verpesten.
Florida Sun: Verspüren Sie gelegentlich Wut, wenn Sie den Raubbau an der Natur sehen?
Clyde Butcher: Und ob! Es gäbe schon einige Dinge über unsere Politiker zu sagen, die Sie vermutlich nicht abdrucken könnten! Andererseits bemüht man sich ja durchaus, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Nehmen Sie zum Beispiel die umfangreiche Initiative zur Renaturierung der Everglades...
Florida Sun: ...ein milliardenschweres Programm.
Clyde Butcher: Richtig, die Everglades sind nun mal das größte subtropische Feuchtgebiet Nordamerikas mit rund 600 Fischarten, knapp 300 Vogelarten, einer abwechslungsreichen Flora und jeder Menge Alligatoren. Und es ist ja nicht so, dass die Menschen nicht wissen, welchen unglaublichen Schatz sie da praktisch vor der Haustüre haben. Aber wenn durch die Erderwärmung der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 tatsächlich zwischen 50 Zentimeter und 1,5 Meter steigen sollte, wie selbst konservative Wissenschaftler voraussagen, brauchen wir uns um die Renaturierung der Everglades keine Gedanken mehr zu machen – die stehen dann nämlich komplett unter Wasser!
Florida Sun: Wie wollen Sie persönlich die Menschen weiter aufrütteln und auf die Gefahren hinweisen?
Clyde Butcher: Indem ich ihnen immer wieder die zerbrechliche Schönheit der Natur vor Augen führe. Ich werde in den kommenden zwei Jahren intensiv den nördlichen Teil der Everglades fotografieren – dort, wo ich in der Vergangenheit seltener unterwegs war. Am Ende des Schaffensprozesses will ich dann einen umfangreichen Bildband mit einem kompletten Panorama dieses einmaligen Ökosystems vorlegen. Ich hoffe freilich nicht, dass dieses Werk ein Requiem auf eine Landschaft werden wird.
Florida Sun: Sind Sie ein pessimistischer Mensch?
Clyde Butcher: Ganz und gar nicht, aber für mich ist eines klar: Die Zukunft wird ökologisch geprägt sein – oder es wird keine Zukunft geben.
Mehr Informationen:
Clyde Butchers
Fotografien können Sie außer in seinen zahlreichen Bildbänden (erhältlich in jedem besser sortierten Buchladen in Florida) im Internet unter
www.clydebutcher.com oder in zwei Galerien in Florida hautnah erleben – und auch kaufen.
Big Cypress Gallery
52388 Tamiami Trail
Ochopee, FL 34141
Geöffnet von Donnerstag bis Montag von 10 bis 17 Uhr
Telefon (239) 695-2428
Venice Gallery & Studio
237 Warfield Avenue
Venice, FL 34285
Geöffnet von Montag bis Freitag von 9.30 bis 16.30 Uhr
Telefon (941) 486-0811